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  • AutorenbildMarco Kocks

Wandgestaltung per Overnight im Parkhotel Fritz am Brunnen

Aktualisiert: 7. Feb.



Wohin es mich für ein Kreidebild auch verschlägt, überall begegne ich neuen, interessanten Kreidefreunden. So auch vor einiger Zeit in Schwelm. Dort gibt es ein Hotel mit dem ehrwürdigen Namen Parkhotel Fritz am Brunnen. Benannt nach seinem Namensgeber. Der alte Fritz, oder formell auch FRIEDRICH II., DER GROßE war vor allem für seine zuvorkommende Gastlichkeit bekannt. Und dies ist auch das Credo der Verantwortlichen dieses außergewöhnlichen Gastronomiebetriebes.

Hier durfte ich eine hochmotivierte Truppe von Vollblutgastronomen kennenlernen, die es sich bewahren konnten „Mensch“ zu bleiben. Die Leichtigkeit und die Freude bei der Arbeit und der Enthusiasmus aller Beteiligten bei den Vorbereitungen zur „Neueröffnung“ nach dem erfolgreichen Umbau werden mir noch lange in positiver Erinnerung bleiben. Die Aufgabenstellung wurde wie folgt formuliert:

Dem Restaurantbereich fehlt noch etwas Charme an der Wand. Kann man da nicht etwas mit Kreide machen?

Während des folgenden Ortstermins in einem kurzen, aber sehr produktiven Gedankenaustausch wurden in Teamarbeit zunächst präzise die Stärken der bergischen Karte zusammengefasst. Und als Besonderheit erfuhr ich dann von der Salumi-Bar. Das ist eine Art Kühltheke mit mediteranen Wurst- und Schinkenspezialitäten inmitten des Gastraums. Hier steht je nach Saison z.B. die Keule des Jamon Iberico oder auch mal ein Culatello-Schinken. Nach spanischer Tradition wird der Schinken erst kurz vor dem Verzehr heruntergeschnitten (in Spanien übernimmt dies der Cortador, ein klassischer, ehrenwerter Beruf, es gibt hier sogar Weltmeisterschaften!) und dem Gast dann frisch serviert. Alles in allem also genug Inspiration für ein Kreidegemälde.



Mit diesen Eindrücken fuhr ich dann nach Hause. Dort dauerte es aber nicht lange bis sich die vielen Ideen in meinem Kopf hinaus aufs Papier drängten. Erste Entwürfe wurden abgestimmt und ganz schnell waren wir uns über das Motiv für das Kreidebild einig. Ebenso unkompliziert wurde ein Termin gefunden bei dem ich mich wieder einmal dazu entschloß vorzugsweise Nachts zu arbeiten. Im Tagesbetrieb und gerade kurz vor einer Eröffnung, sind Handwerker, Lieferanten und Mitarbeiter (vor allem das Reinigungspersonal) im Dauerstress. Da fehlt gerade noch so ein Kreidekünstler, der laut Musik hört und dazu noch alles staubig macht. Aber genug gelacht. Gerade in der ersten Phase, dem Ausmessen und Anzeichnen bin ich am Liebsten ungestört. Da nehme ich es auch gerne in Kauf auf meinen Schlaf zu verzichten um dafür meine Ruhe zu haben. Freundlicherweise hatte man mir für die Nacht, falls ich doch müde werde, ein Hotelzimmer im Hause angeboten. Welch sympathische Geste. Kreidemalerei gegen Kost und Logis. Hat auch irgendwie etwas charmantes. Und während ich in dieser Nacht so vor mich hinmesse, anzeichne und male kommt mir plötzlich ein alter Gedanke, den ich bereits einige Jahre zuvor in irgendeiner dunklen Ecke meiner Gehirnwindungen wegsortiert hatte.




Manch einem ist der Begriff der Walz eventuell sogar noch geläufig.

Früher begann für die Handwerksleute mit Ablegen der Gesellenprüfiung je nach Zunft die Wanderschaft. Der Wandernde sollte auf seiner Reise die verschiedenen Arbeitstechniken und Stilmerkmale unter Einfluss regionaler Besonderheiten seines Handwerks nachvollziehen. Wer auf die Walz ging verpflichtete sich aber auch gleichzeitig einige Regeln zu befolgen:

Für die mehrjährige Wanderschaft ist die Heimatstadt im Radius von 50 km Tabu. Der Wandergeselle begibt sich in an seinem Zielort zu bestimmten Werkstätten und hält Umschau, indem er dort nach Arbeit fragt. Während dieser Zeit lebt er vom erarbeiteten Lohn oder erhält, falls keine Arbeit vergeben werden kann ein so genanntes Zehrgeld und zieht weiter. Ausser seiner traditionellen Montur und den Werkzeugen die er zur Ausübung seines Berufes benötigt darf er während der Walz über keinerlei Hab und Gut, auf keinen Fall aber über wertvolle Besitztümer verfügen.

Zum Ende einer Arbeitsperiode wurde dem Wandernden als Nachweis für geleistete Arbeit und Wohlverhalten eine gedruckte Urkunde ausgestellt, die sogenannte Kundschaft. Solche ermöglichte es ihm am nächsten Ort schneller Arbeit zu finden.

Dieses war vom Spätmittelater bis zur Industrialisierung ein weitverbreiteter Brauch zünftiger Gesellen nach Abschluß ihrer Lehrzeit und eine Voraussetzung zur Zulassung zu Meisterprüfung. Zu Kriegszeiten wurde die Wanderschaft durch die Nationalsozialisten zeitweilig sogar verboten, da junge Männer für das Militär benötigt wurden. Mit dem Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit wuchs zwar wieder der Wunsch diese alten Tradition aufleben zu lassen, doch mit der Spezialisierung der Betriebe und der Gründung erster Berufs- und Hochschulen, die das Wandern als Qualifikationsmerkmal ablösten, ging diese jahrhundertelange Tradition langsam immer mehr verloren. Nur in wenigen Berufen blieb die Wanderschaft bis heute weiterhin erhalten.


Was ich an diesem jahrhundertealtem Brauchtum so faszinierend finde ist die Vereinigung alter Werte (Rechtschaffenheit) mit dem Streben nach Wissen gepaart mit der Möglichkeit unbekannte Orte zu entdecken, neue Techniken zu entwickeln und interessante Menschen kennenzulernen. Ich beschäftigte mich seitdem immer wieder mit dem Gedanken der Wanderschaft, den Regeln der Walz und der Philosophie der Freireisenden. Und ich habe in dieser Nacht beschlossen:

Du… gehst auf Wanderschaft. An jene Orte, die ein Kreidemaler besuchen sollte und ein Schriftenmaler gesehen haben muss. Also recherchiere, lerne, entwickle Dich weiter!

to be continued…

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